Rechtsanwaltskanzlei
Matthias Teichner
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Tätigkeitsschwerpunkt: Arzthaftungsrecht und Medizinrecht
 
 
A I D S und HIV-Infektion
 
 

Mit dem AIDS-Erreger HIV ist spätestens ab 1980 ein weiterer, lebensgefährlicher Erreger (Virus) zu den bis dahin bekannten Transfusionsrisiken hinzugekommen. Obwohl auch die Erreger der Hepatitis (vor allem die Erreger der Hepatitis B und C) für den Transfusionsempfänger lebensgefährlich werden können, hat die Angst vor dem Transfusionsrisiko AIDS von Anbeginn an - bis in die Gegenwart hinein - immer eine Sonderstellung eingenommen. Zum einen lässt sich dies mit der Angst der Betroffenen vor einem qualvollen Tod an der unheilbaren AIDS-Erkrankung erklären. Zum anderen besteht die große Angst vor sozialer Ausgrenzung und zwar sowohl auf die eigene Person, als auch auf die ganze Familie bezogen. Obwohl soziale Kontakte seit jeher als Übertragungsmodus einer Infektion mit dem HIV ausgeschlossen werden, müssen HIV-Infizierte immer wieder die Erfahrung machen, dass ihre Umgebung auf die Mitteilung der Diagnose mit Distanz und Verunsicherung reagiert.

Seit 1985 steht im Bereich der Bundesrepublik Deutschland ein flächendeckender, kommerzieller HIV-Antikörpertest zur Verfügung. Dieses Testverfahren ermöglicht es, Blut im Hinblick auf eine mögliche Verseuchung mit dem AIDS-Erreger zu untersuchen. Frische Infektionen können dabei nicht immer mit Sicherheit erkannt werden, denn der Test reagiert nur auf Antikörper, die sich durchschnittlich ab der 4. bis 6. Woche nach der Infektion bilden. Wegen dieses so genannten diagnostischen Fensters kommt der sorgfältigen Auswahl und Überwachung von Blutspendern bei der Gewinnung von Blutprodukten zu Transfusionszwecken eine große Bedeutung zu. Dies gilt heute und galt natürlich in einem verstärktem Maße für die Zeit vor Einführung des HIV-Testverfahrens.

Versäumnisse der verantwortlichen Produzenten sowie der Überwachungsorgane von Bund und Ländern in den Jahren 1980 bis 1985 haben zu einer Vielzahl von vermeidbaren HIV-Infektionen bei Empfängern von Blut und Blutprodukten geführt. In erster Linie gilt dies für die Gruppe der Bluterkranken. Von cirka 4.000 behandlungsbedürftigen Bluterkranken im Bereich der Bundesrepublik Deutschland (alte Länder) waren bis zum Jahr 1989 cirka 1.500 mit dem HIV infiziert. In den Jahren 1987 bis 1989 fanden Verhandlungen über eine Schadenregulierung der infizierten Bluterkranken statt. Im Durchschnitt erhielten die Opfer am Ende der Verhandlungen von den Versicherern der verantwortlichen pharmazeutischen Unternehmen Abfindungen in Höhe von durchschnittlich DM 70.000,00.

Das Risiko, heutzutage durch eine Bluttransfusion mit dem HIV infiziert zu werden, wird auf 1 : 1.000.000 geschätzt. Über dieses zwar sehr seltene aber typische Risiko muss der Patient aufgeklärt werden. Auch über die Möglichkeit einer Übertragung von Eigenblut, die natürlich nur bei so genannten geplanten Operationen (Wahleingriffen) und nicht bei Notfallbehandlungen in Betracht kommt, ist aufzuklären; denn mit Hilfe der Übertragung von Eigenblut kann das Risiko einer HIV-Infektion auf Null reduziert werden. Kritisch anzumerken ist, dass erst das Auftauchen des HIV und die ersten damit verbundenen Transfusionszwischenfälle dazu führten, dass über diese Problematik ernsthaft nachgedacht wurde und Maßnahmen getroffen wurden. Dabei konnten Infektionen mit den Hepatitis-Erregern B und C (früher: Non-A-Non-B) schon immer zu schweren gesundheitlichen Problemen bis hin zum Tod des Infizierten führen. Diesen Transfusionsrisiken wurde indes nicht diejenige Aufmerksamkeit gewidmet, wie dies im Falle des HIV von Anbeginn an war.

Ärztliches Handeln und Tun ist häufig von Traditionen geprägt. Dies wurde einmal mehr deutlich, als Patienten in der Zeit ab 1985 damit konfrontiert wurden, dass bei Ihnen anlässlich von routinemäßigen Venenpunktionen zum Beispiel bei der Aufnahme zur stationären Krankenhausbehandlung ein HIV-Test durchgeführt worden war, ohne dass zuvor ein Einverständnis in den Test eingeholt worden wäre oder die Patienten auch nur informiert worden wären. Die Notwendigkeit der Durchführung des Tests wurde von Ärzten und Klinikleitern in einer solchen Situation zum Beispiel darin erblickt, dass man das Krankenhauspersonal vor einer berufsbedingten Infektion mit dem HIV schützen wollte. Das Personal sollte sich vor Patienten, die nachweislich mit dem HIV infiziert waren, durch die Kenntnis von der Infektiösität besser vor einer berufsbedingten HIV-Infektion schützen können. Im Bereich der ambulanten Medizin erfolgte eine heimliche Austestung von Patienten beispielsweise aus vermeintlicher Fürsorge heraus und zwar sowohl dem jeweiligen Patienten als auch dessen Intimpartner(-n) gegenüber.

In Ermangelung eines entsprechenden Problembewusstseins kam auf der Behandlerseite die Frage , ob es zulässig ist, einen derartigen "heimlichen" HIV-Test - häufig darüber hinaus ohne medizinische Indikation - bei einem Patienten durchzuführen, überhaupt erst gar nicht auf. Ärzte waren es gewohnt, anlässlich von Venenpunktion eine Vielzahl von serelogischen Untersuchungen anzuordnen und vorzunehmen, ohne den Patienten über den Umfang und den Sinn und Zweck der einzelnen angeordneten Untersuchungen aufzuklären. So wurden beispielsweise "schon immer" männliche Patienten bei entsprechenden Gelegenheiten mittels des Wassermanntests auf eine Luesinfektion hin untersucht, ohne daß man sich als Arzt von seinem Patienten vor oder anlässlich der Venenpunktion eine ausdrückliche Einwilligung in dieses Testverfahren geben ließ. Die Behandlerseite ging, wenn man sich hierüber überhaupt Gedanken machte, in solchen Situationen von einer stillschweigenden Einwilligung des Patienten in das jeweilige Testverfahren aus. Dass eine derartige Vorgehensweise das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient und damit eine der wichtigsten Voraussetzungen für ein - für beide Seiten - gedeihliches Arzt-Patientenverhältnis zumindest belasten kann, wurde dabei von den verantwortlichen Ärzten nicht (ausreichend) bedacht. Auch blieb unberücksichtigt, dass die Konfrontation mit einem positiven Testergebnis für einen Patienten, der überhaupt nicht mit der Möglichkeit rechnet, dass bei ihm ein HIV-Test durchgeführt wurde, sicherlich einen größeren Schock beim Betroffenen auslöst, als wenn dieser zumindest mit der Möglichkeit einer derartigen Diagnosestellung rechnet bzw. rechnen muss. Der Beginn der Therapie eines HIV-Infizierten wird durch eine Diagnosestellung aufgrund eines heimlich durchgeführten HIV-Tests erheblich belastet und unnötig erschwert.

Nachdem sich die Ärzteschaft dieser Problematik schließlich bewusst war, wurden Empfehlungen und Richtlinien erarbeitet, die eine Information und Beratung des Patienten bei der Durchführung von HIV-Tests vorsehen. Die Durchführung eines HIV-Tests sollte von einer ausdrücklichen Zustimmung des Patienten abhängig gemacht werden. Die "Sonderrolle" des HIV-Tests wurde mit der Bedeutung und der möglichen Tragweite eines möglichen positiven Testergebnisses für den Patienten und dessen Angehörigen begründet. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass auch ein heimlich durchgeführter und negativ ausgefallener HIV-Test dazu geeignet ist, Rechtsgüter des Betroffenen zu verletzen. So kann zum Beispiel ein heimlich durchgeführter und gegenüber der Krankenkasse abgerechneter HIV-Test dazu führen, dass die Krankenkasse aufgrund der Tatsache, dass ein HIV-Test bei dem jeweiligen Versicherungsnehmer durchgeführt wurde, auf ein erhöhtes Erkrankungsrisiko schließt, das eventuell bei dem Patienten in Wahrheit gar nicht besteht.

 
 
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